Josef Peneder
Texte aus fünf Jahrzehnten
© Josef Peneder 2016 Version 3.0 / 27.11.2023
Einer
meiner
alten
Freunde,
damals
schon
achtzig
und
immer
noch
ein
begeisterter
Bergsteiger,
erschien
eines
Tages
stark
humpelnd
und
mit
einem
dick
bandagierten
Fuß zum Hundetraining.
"Bergunfall?", vermutete ich.
"Sozusagen",
war
seine
kryptischeAntwort.
Dabei
wirkte
er
irgendwie
peinlich
berührt
und
ich
sah
ihm
an,
dass
er
am
liebsten
nicht
weiter
darüber
sprechen
wollte.
Aber
so
billig
kam er mir nicht davon.
"Erzähl schon", forderte ich ihn auf.
Er
zuckte
resignierend
die
Schultern
und
meinte:
"Die
Japaner!"
Das wurde ja immer besser.
"Du warst doch letztes Wochenende in den Bergen..."
"War
ich",
antwortete
er,
nun
schon
mit
einem
verschmitzten
Lächeln,
"und
ich
bin
auch
wieder
gut
nach
Hause
gekommen.
Dann
hab
ich
mich,
entgegen
meiner
sonstigen
Gewohnheit,
im
Wohnzimmer
auf
die
Couch
gelegt und bin eingeschlafen."
Er schüttelte den Kopf.
"Ich
hatte
einen
Traum",
fuhr
er
fort.
"Ich
war
im
Hochgebirge
unterwegs,
da
fand
ich
plötzlich
eine
ziemlich
ernsthaft
verletzte
Frau.
Sie
hatte
Schürfwunden
und
möglicherweise
ein
gebrochenes
Bein,
konnte
nicht
mehr
aufstehen
und
wimmerte
leise
vor
sich
hin.
Ich
versorgte
ihre
Wunden
und
überlegte
gerade,
was
zu
tun
sei,
als
zwei
Japaner
auftauchten.
Jetzt
müsste
es
möglich
sein,
Hilfe
zu
holen.
Ich
zeigte
auf
die
Verletzte
und
meinte,
einer
von
uns
müsse
sofort
ins
Tal
absteigen
und
die
Bergrettung
alarmieren.
Aber die Japaner schüttelten bedauernd den Kopf.
'Ist spät', erklärte der eine.
'Müssen
zum
Gipfel',
erklärte
der
andere,
und
schon
wollten sie einfach weitergehen.
Da
bekam
ich
einen
furchtbaren
Wutanfall.
Einen
Verletzten
im
Stich
lassen,
das
war
doch
wohl
nicht
möglich, das durfte nicht sein!
Ich
rannte
ihnen
nach,
holte
schwungvoll
aus
und
gab
dem
einen
einen
gewaltigen
Tritt
in
sein
egoistisches
Hinterteil!"
Er schaute mich grinsend an.
"Der
Tritt
hat
ziemlich
weh
getan.
Ich
habe
nämlich
die
Lehne
von
der
Couch
getroffen
und
mir
den
großen
Zeh
gebrochen!"
Peneder Josef
Ein heiterer Bergunfall
"Da
kommt
wer!",
rief
mein
Freund
mit
gedämpfter
Stimme.
Er
hatte
ab
3
Uhr
früh
die
Wache
übernommen.
Ich
setzte
mich
schlaftrunken
auf.
Der
Rücken
schmerzte
vom
Liegen
auf
der
Holzbank
in
dem
winzigen
Zollwachehäuschen.
Am
Tisch
brannte
einsam
eine
Kerze,
daneben
lag
der
bleiche
Schädel
eines
Rehbocks.
Wir
löschten
die
Flamme
und
starrten
durchs
Fenster.
Das
zitternde
Licht
eines
Mopeds
war
über
dem
Hochwasserdamm
aufgetaucht
und
näherte
sich
unserem
Versteck. An Flucht war nicht mehr zu denken.
Wir
waren
damals
Studenten
und
hatten
uns
vorgenommen,
einige
Tage
lang
die
Auwälder
nördlich
von
Marchegg
zu
durchstreifen,
Tiere
zu
beobachten,
zu
malen,
Abenteuer
zu
erleben.
Bis
zum
Abend
hatten
wir
uns
wenig
Gedanken
darüber
gemacht,
wo
wir
übernachten
würden.
Vielleicht
an
einen
Baum
gelehnt
ein
paar
Stunden
dahindösen.
Aber
es
war
Anfang
April.
Es
wurde
dunkel,
und
es
wurde
empfindlich
kalt.
Da
entdeckten
wir
unterhalb
vom
Hochwasserdamm
das
kleine,
hölzerne
Zollwachehäuschen.
Natürlich
war
es
zugesperrt.
Ich
hatte
einen
großen
Schlüsselbund
mit,
und
tatsächlich
passte
einer, ein ganz normaler Zimmertürschlüssel.
Wir
hatten
ein
mulmiges
Gefühl,
als
wir
eintraten.
Außer
dem
Tisch
und
zwei
langen
Holzbänken
gab
es
noch
einen
kleinen
Ofen
sowie
eine
Kiste
mit
Holz
und
Kohlen.
Das
gab den Ausschlag.
Bald
schon
war
es
schön
warm
in
dem
winzigen
Raum,
wir
hatten
eine
Kerze
gefunden
und
in
ihrem
Schein
warf
der
Schädel
des
Rehbocks
zuckende
Schatten.
Diesen
Schädel,
den
wir
im
Wald
gefunden
hatten,
hatte
uns
übrigens
der
Förster höchstpersönlich überlassen.
Nach
einer
kleinen
Nachtjause
beschlossen
wir,
dass
einer
schlafen
und
der
andere
aufpassen
sollte.
Jede
Stunde
würden wir uns abwechseln.
Nun
erwarteten
wir
ängstlich
die
Ankunft
des
Zöllners,
der
eben draußen sein Moped abstellte.
Die
Tür
schwang
auf
und
ein
kräftiger
junger
Mann
in
grauer
Uniform
füllte
den
Türrahmen
aus.
In
einem
Halfter
hatte
er
eine
Pistole.
Die
Enge
des
Raumes
hatte
etwas
Bedrohliches. Auch der Zöllner wirkte nervös.
"Was macht ihr hier?"
Wir
erklärten
ausführlich,
wie
wir
in
diese
Lage
gekommen
waren.
Er
verlangte
unsere
Ausweise
und
schrieb
unsere
Daten
in
ein
Büchlein.
Dann
wurde
er
wieder
amtlich:
"Ihr
verheizt
hier
Staatseigentum",
meinte
er
streng.
Ich
hielt
ihm
20
Schilling
hin,
worauf
er
entsetzt
zurückwich.
"Ich
darf kein Geld annehmen", erklärte er.
Die
Nervosität
hatte
sich
inzwischen
einigermaßen
gelegt.
Er
untersuchte
noch,
ob
die
Tür
auch
wirklich
nicht
aufgebrochen war. Dann ließ er uns gehen.
"Seid
froh,
dass
heute
nicht
mein
Chef
die
Runde
macht!",
rief
er
uns
noch
nach.
Erleichtert
ließen
wir
ihn
in
dem
gemütlich warmen Häuschen zurück.
Mein
Freund
ist
heute
Primar
in
einem
Linzer
Spital,
ich
selbst bin Lehrer geworden.
Der
Schädel
befindet
sich
seither
im
Biologie-
Kammerl
meiner
Schule
und
dient,
zusammen
mit
dieser
Geschichte,
den
staunenden
Kindern
als
Beispiel
für
Natur
und Abenteuer.
Peneder Josef
Da kommt wer!
Er
hatte
das
Jazz-Konzert
in
Linz
organisiert,
wie
jedesmal
für
die
Unterbringung
der
Musiker
gesorgt,
jetzt
waren
sie
alle
gemeinsam
zum
Bahnhof
gebracht
worden.
Es
war
noch
etwas
Zeit
bis
zur
Abfahrt.
Sie
standen
beim
Aufgang
zu
den
Bahnsteigen,
hatten
die
verpackten
Instrumente
abgestellt.
Man
plauderte,
wünschte
sich
eine
gute
Reise,
ein
baldiges
Wiedersehen,
Grüße
an
die
Familie.
Das
gestrige
Konzert
wurde
noch
einmal
besprochen,
gut
besucht, erfolgreich, gute Musik, tolles Zusammenspiel.
Rundherum
herrschte
geschäftiges
Hin
und
Her,
die
Leute
kamen
von
den
Zügen,
Begrüßungen,
Abschiede,
Eile,
Kofferrollen, Lautsprecherdurchsagen.
Er
hatte
seine
Schirmmütze
abgenommen,
hielt
sie
nun
in
der
Hand,
strich
sich
gedankenverloren
durch
die
Haare.
Er
wollte
gerade
etwas
sagen,
als
sich
eine
alte
Frau
näherte.
Sie
kramte
umständlich
in
ihrer
Handtasche.
Endlich
hatte
sie
das
Gewünschte
gefunden.
Mit
einem
freundlichen
Lächeln
warf
sie
ein
Geldstück
in
die
Mütze,
die
er
noch
immer
in
der
Hand
hielt.
Sie
nickte
den
Musikern
zu,
drehte
sich
um
und
war
gleich
wieder
in
der
vorüberhastenden Menge untergetaucht.
Er
nahm
die
Münze
heraus,
es
waren
zwei
Euro.
Die
erste
Verblüffung schlug rasch in Erheiterung um.
Peneder Josef
Betteln verboten
In
diesem
Augenblick
trat
ein
vornehm
gekleideter,
älterer
Herr
auf
sie
zu.
Er
trug
eine
Brille
und
musterte
streng
die
heitere
Gruppe.
Dann
erklärte
er
mit
einer
Handbewegung
Richtung
Mütze:
"Sie
wissen
schon,
dass
Betteln
hier
verboten ist!"
Sprach's
und
marschierte
entschlossen
davon,
stolz
darauf,
seiner Bürgerpflicht nachgekommen zu sein.
Das schallende Gelächter hat er wohl nicht mehr gehört.